Kosmos Verlag/Kay Elzner
Sternbild des Monats

Die Schlange und ihr Träger

Figürliche Darstellung des Schlangenträgers und der Schlange
(Bild: Kosmos Verlag/Kay Elzner)

Der Schlangenträger wird manchmal auch als das „13. Tierkreisbild“ bezeichnet. Kulturgeschichtlich sollte man es zusammen mit der Schlange als ein Doppelsternbild betrachten. Wie dieses im Laufe der Zeit entstanden ist, erklärt Susanne M. Hoffmann in ihrem Buch „Wie der Löwe an den Himmel kam“.

 

Das Sternbild Schlange ist etwas kurios, da es aus zwei Teilen besteht, die nicht miteinander verbunden sind. Zwischen dem Schlangenschwanz (Serpens Cauda) und dem Schlangenkopf (Serpens Caput) steht der Träger der Schlange (Ophiuchus). Der Schlangenkopf wird durch ein Dreieck aus Sternen gebildet, sodass es wie ein geöffnetes Maul aussieht. Da Schlangengift in geringen Dosen heilende Wirkung haben kann und der Schlangenträger mit dem Gott der Heilkunde assoziiert wird, ringt in diesem Bild ein Arzt oder Apotheker mit der Schlange darum, ob der Patient leben oder sterben soll.

Für die Griechen war diese männliche Gestalt Asklepios (römisch: Äskulap), dessen Stab bis heute ein internationales Symbol der Apotheker ist. Diese Gottheit hat vermutlich eine real existierende Persönlichkeit als Grundlage – welche, das ist allerdings fraglich. Mehrere große Ärzte der griechischen und ägyptischen Geschichte kommen dafür in Frage. Vielleicht war es auch regional verschieden, doch der Archetypus des überaus fähigen Arztes oder Apothekers ist jedenfalls einer Verstirnung würdig. Für die Babylonier befand sich an dieser Stelle des Himmels ebenfalls eine männliche Gestalt, nämlich der Gott Zababa. Es ist der Name eines alten Kriegsgottes. Abbildungen von ihm sind nicht überliefert; nur gleichnamiger Könige, die man hier allenfalls behelfsweise nutzen könnte, um eine Visualisierung zu erstellen. Wie bei Äskulap ist sein Symbol ein Stab – allerdings ein Stab mit einem Adlerkopf und ohne Schlange: Es ist kein Wanderstab, sondern eine Standarte.

Für die Babylonier war daher vermutlich der östliche Teil der Schlange, den wir Serpens Cauda nennen, die Standarte des Gottes Zababa. Sie befindet sich direkt neben dem Sternbild Adler (Aquila) und steht mit diesem im Sinnzusammenhang: Griechisch wie babylonisch wird hier ein Adler gesehen und neben dem babylonischen Adler befindet sich ein Leichnam, was seit Ptolemaios auch in der griechisch-römischen Sternbildkultur der Fall ist. In MUL.APIN gehören diese drei Sternbilder zusammen: Zababa, Adler und Leichnam. In der griechischen Klassik gab es keinen Leichnam, doch Ptolemaios führt ihn aus politischen Gründen wieder ein.

Wir sehen hier also eine Umdeutung von Tod zu Leben: Die männliche Figur war zuerst ein Leichen hervorbringender Kriegsgott und später ein Gott der Heilkunde, der frisch Verstorbene zum Leben erwecken kann. Beide Bedeutungen der Figur gehen im Laufe der Jahrhunderte für die mathematische Astronomie verloren und Kepler, der im Jahr 1604 eine Supernova in diesem Sternbild beobachtete, nannte das Sternbild rein anschaulich Serpentarius: „Der Mann, der die Schlange hält“. Der Standardname Ophiuchus ist hingegen die lateinische Form von „dem, der Ophis hält“ und Ophis ist das griechische Wort für Schlange. Hier wurde offenbar die Vokabel als Eigenname interpretiert.

Erwähnenswert zu diesem Sternbild ist außerdem, dass es das sagenumwobene 13. Tierkreisbild ist, denn die Sonne steht nur ca. eine Woche lang in der Figur des Skorpions und dann etwa drei Wochen lang im Schlangenträger. Es mag daher überraschen, dass man in römischer Zeit die Figur der Waage wieder in den Tierkreis quetschte, anstatt den Riesenskorpion zu belassen: Anstatt Jungfrau – Waage – Skorpion – Schütze wäre die Reihenfolge der Sternbilder Jungfrau – Skorpion – Schlangenträger – Schütze für die Sternzeichen astronomisch sinnvoller gewesen. Manilius lässt vermuten, dass für diese Konvention die Eselsbrücke der Waage als Symbol für das Gleichgewicht von Tag und Nacht verantwortlich ist.

Auf den Spuren der Sternbilder

Reich illustriert und fachlich fundiert: Der umfassende Atlas zur Geschichte aller Sternbilder.

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